Das Tennisjahr 2010 beendete er noch auf Position 156, nach dem überraschenden 7:6, 7:6-Sieg gegen Fernando Verdasco im Finale des ATP-Turniers von San Jose ist der Kanadier Milos Raonic jetzt bereits unter den besten 60 Spielern der Welt zu finden. Ein Bericht von einem Finale ohne Breaks und mit nur einem einzigen Breakball.
Um kurz nach 2 Uhr deutscher Zeit betraten Milos Raonic und Fernando Verdasco den Platz, um den Sieger des ATP-Turniers von San Jose zu ermitteln. Lustigerweise wussten beide da schon, dass sie sich spätestens am Mittwoch nächster Woche bereits in der ersten Runde von Memphis erneut gegenüberstehen werden. Von größerer Bedeutung war aber hier natürlich dieses Endspiel, für beide Akteure.
Fernando Verdasco erwischte bei den Australian Open nur einen mittelprächtigen Start in das Tennisjahr, unterlag im Achtelfinale ganz klar Tomas Berdych 4:6, 2:6, 3:6 und verlor beim ersten Vorbereitungsturnier in Brisbane sogar direkt gegen den Deutschen Benjamin Becker. In San Jose wollte er den Titel aus dem Vorjahr verteidigen, als er immerhin im Finale Andy Roddick bezwingen konnte.
Wild Cards wird der junge Kanadier nicht mehr lange brauchen
Milos Raonic wollte dagegen den Grundstein legen, um bei den kommenden ATP-Turnieren nicht mehr durch die Qualifikation zu müssen. Doch das dürfte sich dank seines sensationellen Achtelfinaleinzugs bei den Australian Open mit Siegen über Michael Llodra und Mikhail Youzhny sowieso bald erledigt haben, denn die Turnierdirektoren geben ihm nun auch gerne eine Wild Card – wie beispielsweise nächste Woche in Memphis. Es wird wohl schon das letzte Turnier sein, bei dem er darauf angewiesen ist.
Der Spielverlauf ist relativ schnell geschildert. Beide waren bei ihren Aufschlagspielen souverän unterwegs, Fernando Verdasco hatte sogar noch deutlich geringere Probleme als Milos Raonic, verlor fast überhaupt keine Punkte bei eigenem Service. Aber auch Raonic musste im Verlauf des ersten Satzes keinen einzigen Breakball abwehren, lediglich in einem Aufschlagspiel war es etwas knapper, als er bei 15:30 über den zweiten Aufschlag gehen musste. Und so sollte es in den Tie-Break gehen, einen verrückten Tie-Break.
Verdasco vergibt im ersten Satz vier Satzbälle
Raonic startete wahrlich nicht gut, machte vor allem mit der Rückhand einige Fehler und lag schnell mit 2:6 zurück. Dann wehrte er bei Aufschlag Verdasco des ersten Satzball ab, weil der Spanier eine Rückhand verzog. Auf zwei gute Aufschläge folgte der vierte Satzball Verdascos. Der Kanadier konnte einen sehr guten Aufschlag zurück ins Feld bringen, und Verdasco machte einen weiteren Fehler mit der Vorhand – plötzlich stand es 6:6. Ein langer Ballwechsel folgte bei diesem Spielstand, den Raonic mit einem Rückhand-Winner beenden konnte. Mit einem guten Aufschlag gewann er den Tie-Break dann mit 8:6.
Der zweite Satz verlief ähnlich, beide hatten bis zum 4:4 überhaupt keine Probleme, ihre Aufschlagspiele durchzubringen. Dann allerdings musste Raonic nach ein paar Rückhand-Fehlern zum ersten Mal einen Breakball abwehren: Das gelang ihm, mit was? Natürlich, einem guten Auschlag. Kurze Zeit später standen sich die beiden erneut in einem Tie-Break gegenüber, der noch aufschlagdominierter war als das gesamte Spiel. Nur ein einziger Punkt wurde nicht vom Aufschläger gewonnen, und wer macht ihn? Milos Raonic. Am Ende verlor Fernando Verdasco etwas unglücklich, weil ein Fan lautstark reinbrüllte, als Verdasco versuchte eine weitere Aufschlagbombe beim Stand von 6:5 im Tie-Break zu entschärfen. Milos Raonic dürfte das egal sein, er hat heute seinen ersten ATP-Titel gewonnen.
Als Nummer 679 der Welt ärgert er Fernando Gonzalez
Das erste Mal machte der Kanadier im August 2009 beim Masters Event in Montreal auf sich aufmerksam. Als Nummer 679 der Welt erhielt der damals 18-Jährige eine Wild Card für die Qualifikation, bezwang dort Teimuraz Gabashvili und Michael Llodra. In der ersten Runde stand er dann vor einer der größten Sensationen des Tennisjahres, als er dem TOP10-Spieler Fernando Gonzalez nicht nur den ersten Satz abnahm, sondern im Tie-Break des zweiten Satzes auch mit 5:3 führte. Damals aber war er mental noch nicht stark genug, in den entscheidenden Situationen den Aufschlagriesen auszupacken.
Für mich ist der junge Kanadier eine der hoffnungsvollsten Talente für die nächsten Jahre. Es ist immer einfach, nach guten Ergebnissen vom TOP5-/Top10-Potential zu sprechen, aber ich sehe beim Spiel von Raonic nur wenige Schwächen. Er serviert mindestens so gut wie die Riesen John Isner (2,06 Meter) oder Ivo Karlovic (2,11 Meter), bewegt sich von der Grundlinie aber deutlich besser und hat vor allem eine druckvolle Vorhand. Wenn er seine Rückhand noch verbessern kann, sehe ich ihn bereits Ende des Jahres in den TOP 20 und in den nächsten zwei Jahren auch unter den zehn besten Spielern der Welt.
Was zusätzlich auffällt: Der Kanadier, vom Aussehen her eine Mischung aus Jo-Wilfried Tsonga und Taylor Dent, ist mental mit seinen gerade einmal 20 Jahren schon voll da. Wie er heute vier Satzbälle gegen einen TOP10-Spieler abwehren konnte im Tie-Break war beeindruckend. In kritischen Situationen packt er fast immer den ersten Aufschlag aus – einige amerikanische Kommentatoren vergleichen ihn schon mit Pete Sampras, was ich für etwas verfrüht halte. Raonic wird zeigen müssen, dass er dieses unglaublich starke Tennis auch über einen längeren Zeitraum von mehreren Monaten zeigen kann.
Deja-Vu in Memphis
Den Anfang kann er bereits in 72 Stunden machen, wenn auf der anderen Seite des Platzes ein gewisser Fernando Verdasco steht in der ersten Runde des ATP-Turniers von Memphis.
Live Score und Analysen:
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